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Der Schlafwagendiener

Autor: Suzette Mayr

Übersetzt von: Anne Emmert
Deutsch
2023 - Verlag Klaus Wagenbach

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Inhalt

Kurztext / Annotation
Baxter träumt davon, Zahnarzt zu werden, und spart dafür jeden Dollar Trinkgeld. Bis er sich das Studium leisten kann, muss er auf mehrtägigen Schlafwagentouren stumm lächelnd und nickend alle Aufträge der reichen, weißen, oft skurrilen Fahrgäste ausführen. Er darf weder seinen eigenen Namen verwenden noch sich den kleinsten Fehler erlauben, dort am untersten Ende der gesellschaftlichen Hierarchie, auf dem Trittschemel beim Schuhepolieren oder beim Kloputzen. Im Jahr 1929 würde er für seine heimliche Hingabe an Männer nicht nur seinen Job verlieren, sondern unweigerlich im Gefängnis landen. Unterdessen bleibt der Zug auf der Fahrt von Montreal nach Vancouver vor einer Schlammlawine stehen. Die Stimmung an Bord wird mit jeder Stunde angespannter. Während des pausenlosen Tag- und Nachtdiensts bekommt der völlig übermüdete Baxter langsam Halluzinationen und hat seine unterdrückten Gefühle immer weniger unter Kontrolle.

Suzette Mayr, geboren 1967, hat für ihre sechs bisher erschienenen Romane bereits mehrere Preise erhalten. 2022 wurde sie für »Der Schlafwagendiener« mit dem renommiertesten kanadischen Literaturpreis, dem Giller Prize, ausgezeichnet. Mayr unterrichtet Kreatives Schreiben an der Universität von Calgary.

Textauszug
Toronto-Winnipeg, Mo., 22:45 Uhr (E. T.)
bis Mi., 21:15 Uhr (C. T.)

21:45 Uhr. Baxter steht neben seinem Trittschemel und hält Ausschau, reglos, geschmeidig, jederzeit bereit, einen Koffer hochzuhieven, einen Fahrplan zu analysieren, auf den Schaffner zu verweisen, zu nicken, weitere Koffer hochzuhieven oder auch eine Hutschachtel, weitere Fragen zu beantworten, zu nicken und immer wieder zu nicken. Hosenaufschläge schleifen durch den Staub, blanke Stiefelabsätze klackern über den Bahnsteig, ein Kind rennt zum Aussichtswagen, Haarbänder, Manschettenknöpfe, Tickets und Abschiedsbriefe rauschen zu Boden. Hände strecken sich ihm entgegen, halten sich an ihm fest, ziehen ihn an der Jackentasche, fuchteln ihm vor dem Gesicht herum. Eine Woge aus Fahrgästen walzt auf seinen Wagen zu, ein Mahlstrom hektischen Abfahrtstrubels.

R. T. Baxter, Zahnarzt in spe, der einmal Zahnfleisch aufsäbeln und kranke Weisheitszähne ziehen will, steht da, hier, neben seinem Zug, inmitten dieses Wirbelsturms.

Jetzt schon schläfrig.

Ein Fahrgast, der in Baxters Wagen zusteigt, drängelt sich an einer Mutter vorbei, die ihren Knirps am Ellbogen festhält. Der Mann, geformt wie ein Herz, wie eine Mango, verharrt kurz auf dem Trittschemel, ehe er in den Waggon klettert. Mango reckt den gekrümmten Zeigefinger in die Luft und öffnet die trockenen Lippen, aber es entweicht ihnen kein Ton, kein Fragezeichen.

»Sie sind in Abteil C, Sir«, sagt Baxter, obwohl der Schaffner dem Passagier das bereits erklärt hat. Er ist sich nicht sicher, was der Passagier jetzt noch wissen möchte und was der schweigend in die Luft gereckte Zeigefinger zu bedeuten hat. »Willkommen an Bord«, sagt er.

»Mitternacht«, sagt Mango. Er schiebt den Finger in seine Brusttasche, zieht eine Visitenkarte heraus und schnippt Baxter die Karte zu. Die Berufsbezeichnung lautet Optiker. Auf die Rückseite hat der Passagier in winzig kleinen Versalien notiert:

MITTERNACHT. KEINE MINUTE SPÄTER.

Die spitzen Ecken der Karte piksen Baxter in die Fingerspitzen. Um Mitternacht wird er noch beschäftigt sein, Fahrgästen gut zureden, sich in ihre Kojen zu begeben, und über Kissen und Schlafanzüge stolpern. Er hat eine vage Ahnung, was der Mann mit seinen akkuraten Winzbuchstaben sagen will, aber manche Passagiere sind durchtriebene Gesellen, die einem in der einen Sekunde freundlich die Zähne zeigen, um sie in der nächsten arglistig zu fletschen. Er hat keine Zeit, für Mango den Kummerkastenonkel zu spielen, sich seine nächtlichen Bekenntnisse über eine unglückliche Liebesaffäre oder einen lasterhaften Bruder anzuhören, wo er doch Stiefel wichsen und Berichtzettel ausfüllen muss. Um Mitternacht werden noch Passagiere betrunken durch den Wagen torkeln oder nach der Leiter klingeln oder zur Toilette und wieder zurück wanken, ihn mit Fragen belästigen wie Wann fährt der Zug durch Octopus? oder Warum ist der Zug langsamer geworden?, als läge Baxter, sobald er aus ihrem Blickfeld verschwindet, auf dem Dach des Zuges. Vielleicht kann Mango, der Optiker, ihm ja die menschlichen Augen aus den Höhlen schaben und stattdessen Vogelferngläser einsetzen.

Federn schweben vor Baxters Augen. Er blinzelt, putzt sich mit dem Taschentuch die Brille. Keine Federn. Kaum Schlaf letzte Nacht, davor zwei Nächte hintereinander überhaupt kein Schlaf, jetzt zieht in seinen Augäpfeln Nebel auf. Er steckt sich die Karte des Optikers in die Brusttasche.

Baxter füllt die Formulare aus, hievt Kisten hoch und runter und hoch, steigt beim Kontrollieren der Kojen über Kissen und Schlafanzüge, notiert innerlich, wessen Schuhe geputzt werden müssen und wer schon so viel getrunken hat, dass er sich im schnurgeraden engen Korridor garantiert verlaufen wird.

Um 23:59 Uhr drückt Baxter den Perlmuttklingelknopf zu Abteil C. Mango öffnet die Tür mit qualmender Zigarre im Mund, der Rauch und der G

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Buchdetails

Titel: Der Schlafwagendiener
Untertitel:Übersetzt von: Anne Emmert
Verlag: Verlag Klaus Wagenbach
Erscheinungsjahr:2023
Sprache:Deutsch
240 Seiten
ISBN-13: 978-3-8031-4377-8

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